In einer immer aufgeregter geführten Klimadiskussion wird fast ausschließlich nur noch vom Wald als CO2 – Speicher gesprochen. Den Wald allein auf diese Funktion zu reduzieren, wird ihm nicht gerecht.
Die Diskussionen über den Klimawandel und bei der Suche nach Alternativen, die ihm wirksam entgegengesetzt werden können, ist der Wald mal wieder in das Bewusstsein der Gesellschaft und in den Focus der Politik geraten. Waldgipfel im Bund und in den Ländern werden anberaumt und offenbaren die sehr unterschiedlichen Herangehensweisen an die Klimaoption Wald. Das Jonglieren mit Zahlen, wie Hektar, Pflanzen und Geld, lassen mir den Atem stocken. In Schleswig-Holstein will man seit mehr als zehn Jahren den Waldanteil von derzeit 11 % auf 12 % erhöhen. Dafür würden ca. 15.000 Hektar Grundfläche benötigt. Will man diese Fläche aufforsten, dann werden rd. 52.500.000 Pflanzen und Geldmittel in Höhe von rd. 157.500.000 Euro erforderlich. Unterstellt man eine Laufzeit von zehn Jahren für diese Aufforstungsinitiative, dann müssten pro Jahr 15.750.000 Euro bereitgestellt werden. Ein Betrag, den das kleine Bundesland Schleswig-Holstein nicht allein wird stemmen können. Welches Finanzszenario kommt dann wohl auf die Bundesregierung zu? Ich befürchte, das Waldsterben 2.0 wird mit Blick auf die Finanzen still und leise aus der Diskussion verschwinden.
Doch bevor der Wald wieder in den Hintergrund verdrängt wird, lohnt es sich einmal darüber nachzudenken, was er uns denn heute bedeutet. In Zeiten, in denen der Wald von Klimakatstrophen, wie Stürme oder Waldbrände heimgesucht oder bedroht wird, macht sich Sorge in der Gesellschaft breit. Doch warum ist das so? Ich denke, ein Grund wird sein, weil uns der Wald seit Urgedenken als Kulturgut dient. Er ist Schauplatz zahlreicher Märchen, Sagen und Mythen. Als Kinder haben wir diese Märchen entweder als „Gute Nachgeschichte“ vorgelesen bekommen oder später die märchenhafte Lektüre selbst gelesen. Der Wald war in unseren Träumen der geheimnisvolle Ort, an dem Feen, Elfen und Zwerge, aber auch Räuberbanden und die Bremer Stadtmusikanten, umhergeisterten.
Erich Kästner hat in seiner „Lyrischen Hausapotheke“ dem Wald ein zeitloses Denkmal gesetzt:
„Wenn man so ganz alleine im Wald
steht, begreift man nur sehr schwer,
wozu man in Büros und Kinos geht. Und
plötzlich will man alles das nicht mehr“.
In diesem Kästner-Zitat steckt eine unmissverständliche Aufforderung an die Menschen, den Wald als Ort der Entspannung, der Muse und der Regeneration wieder zu entdecken. Wenn man will, kann man Erich Kästner als den Erfinder des „Waldbadens“ bezeichnen.
Der Wald wird in ungezählten Liedern besungen. Man hört sie nicht mehr allzu oft und manche scheinen vergessen in Archiven zu ruhen. Neue Lieder sind entstanden und werden heute in Kindertagesstätten gesungen.
Unzählige TV-Dokumentationen haben uns den Wald in unsere Wohnstuben gebracht. Der den meisten Menschen fremde Lebensraum Wald wurde so zu einem schützenswerten Mythos. Doch die Liebe zum Wald entsteht nur durch das unmittelbare Erleben. Den Duft des Waldes in sich aufnehmen, die raue Rinde der Bäume begreifen, das feuchte Moos spüren, das Tanzen der Sonnenstrahlen in den Baumwipfeln bewundern und an heißen Sommertagen die angenehme Kühle genießen, dass alles macht den Wald so wertvoll und schützenswert.
Bernhard Dierdorf, Dannau