Schönberger Gewerbetreibende setzen seit 100 Jahren auf Gemeinschaft

Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein als Schwergewicht der Ortspolitik

Schönberg (kk) Einen Verein über 100 Jahre hinweg am Leben zu erhalten, weiter zu entwickeln und mit immer neuem Leben zu füllen – das allein ist schon eine Leistung, die nicht überall gelingt. Doch in Schönberg ist der Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein eine echte Erfolgsgeschichte, auf die der Vorsitzende Knut Lindau angesichts des bevorstehenden Jubiläums einmal besonders intensiv zurück blickt.
Dabei ist der 60Jährige in seinem Element. Denn sein Name ist eng mit dem Gewerbe- und Fremdenverkehrsverein verbunden. Kein Wunder, waren doch sein Vater und sein Großvater schon aktive Vorstandsmitglieder des vor 100 Jahren gegründeten Vereins. Wenn er in den alten, aber gut gehüteten Protokollbüchern blättert, fällt auf: Die Themen, mit denen sich der Verein beschäftigte, die Anliegen, die die Gewerbetreibenden hatten und die Ziele haben sich in den 100 Jahren vom Grundsatz her nicht geändert. Und einen Beweis liefern die Niederschriften und ungezählten PH-Artikel über die Aktivitäten des Gewerbevereins noch: Die Gründungsväter bewiesen Weitsicht, indem sie auf die Wirkung der Gemeinschaft setzten.
Deshalb trafen sich am 13. März 1924 rund 30 Geschäftsleute, um den Handels- und Gewerbeverein aus der Taufe zu heben. Ziel war schon damals, Einfluss auf die ortspolitischen Entscheidungen zu nehmen, wenn es um Baugebiete, Gewerbeansiedlung und die Ausgestaltung der Steuern ging. „Es wurde damals sogar eine Steuerkommission gegründet, in der drei Mitglieder des Vereins mit am Tisch saßen, wenn es um die Berechnung der Gewerbesteuer ging“, berichtete Lindau. Nach einer Zwangspause durch den zweiten Weltkrieg gab es bereits 1948 eine Wiedergründung, zu der sich 106 Mitglieder fanden. „Darauf hatten alle gewartet, schon ein Jahr später gab es 129 Mitglieder.“ Für Lindau ein Zeichen, wie wichtig den Geschäftsleuten schon damals das gemeinschaftliche Handeln und vor allem auch der Austausch war. Man schloss sich zusammen, organisierte Weihnachtsausstellungen mit Verlosungen, füllte alle damals vorhanden Säle (Stadt Hamburg, Stadt Kiel und Bahnhofshotel), begeisterte die Menschen. Das erinnert an die heute fest etablierte Weihnachtstaler-Aktion, die vor 25 Jahren ins Leben gerufen wurde. Ideengeber, so verrät Lindau, war übrigens der damalige Bürgermeister Wilfried Zurstraßen. „An die Zusammenarbeit denke ich sehr gern zurück. Die Zeit zeigte, dass im Schulterschluss zwischen Gewerbe und Gemeinde vieles leichter voran geht“, so Lindau.
Denn auch diese Maxime hatten sich die Gründungsväter schon damals auferlegt. „Es waren immer Mitglieder des Vorstandes mit im Gemeinderat, um auf die Bedürfnisse der Gewerbetreibenden direkt hinzuweisen“, so Lindau weiter. Heute gibt es dafür das Ortsmarketing, in dem die Geschäftsleute mit Ortspolitikern gemeinsam auf die Ortsentwicklung schauen. Allerdings, so räumte Lindau ein, konnte sich das Gewerbe nicht immer durchsetzen. Beispiele dafür waren der Bau der Fußgängerzone. „Das Thema beschäftigt uns noch heute“, erklärte Lindau. Schon damals hatten sich viele Mitglieder dagegen ausgesprochen, weil sie das Sterben der kleinen Einzelhändler befürchteten. „Und so ist es ja dann auch gekommen, viele kleine Geschäfte haben geschlossen oder sind abgewandert“, so Lindau weiter. Ein zweiter Rückschlag sei die Einrichtung des Probsteier Einkaufszentrums am Kuhlenkamp/Ecke Bahnhofstraße. „Es wurde gegen unseren Willen ein neues Ortszentrum geschaffen“, so Lindau weiter.

Wichtige Eckpunkte in der Vereinsentwicklung seien für ihn neben der Wiedergründung 1948 vor allem die Fusion 1968 gewesen. Damals habe es neben dem Handels- und Gewerbeverein auch die Ortshandwerkerschaft und den Fremdenverkehrsverein gegeben. „Auf Bestreben des Gewerbevereins konnte eine Zusammenlegung erreicht werden. Denn alle wussten: Nur gemeinsam sind wir stark, alle müssen an einem Strang ziehen, um den Ort als Wirtschafts- und Tourismusstandort zu stärken. Nur wenn wir Schönberg stark machen, gehen die Kunden nicht nach Kiel. Unsere Vorväter haben damals schon das erreicht, was andere heute noch nicht geschafft haben“, erklärte Lindau mit Stolz auf seinen Verein.

Neben dem Handelsgewerbe war dem Gewerbeverein vor allem der Tourismus immer besonders wichtig. „Wir hatten viele Kleinstvermieter mit zwei bis vier Betten in unseren Reihen, aber es gab auch viele Hotels“, erinnerte Lindau. Schon damals hat man versucht, mit besonderen Aktionen die Touristen nach Schönberg zu locken. Für Aufsehen sorgte in den 1980er Jahren die Anschaffung der Pferdestrandbahn. „Wir kauften zwei Kaltblüter und einen Planwagen, mit dem die Gäste zwischen Schönberg und den Strandgebieten hin- und hergefahren wurden“, berichtete Lindau. Damals hatte die Willi Alpen den Vorsitz des Vereins übernommen, mit ihm ging ein Generationswechsel im Vorstand einher. Die Pferdebahn fuhr bis Mitte der 1990er Jahre, dann wurde sie eingestellt. Heute überlege man im Vorstand, eine Bimmelbahn anzuschaffen. „Es war schon immer ein Anliegen, den Ort und die Strandgebiete miteinander zu verbinden“, sagte der Vorsitzende. Die Beschilderung der Wanderwege, die Ausrichtung von Veranstaltungen wie das Maibaumfest, die Kulturnacht, die Gewerbeschau und viele andere sind ebenfalls Beispiele für die Aktivität des Gewerbevereins.

Legendär sind auch die jährlichen Feste, die zunächst als Stiftungsfeste, später als Motto-Ball (Karibische Nacht, italienische Nacht) gefeiert wurden. Karten dafür waren sehr begehrt und kaum zu ergattern, denn diese Feste wurden mit immensem Aufwand, bestem Essen und hochkarätigem Musikprogramm gefeiert. Doch klar ist auch: „Ein Jahresprogramm mit 20 Programmpunkten neben dem Betrieb abzuarbeiten, das ist viel Arbeit, die überwiegend auf den Schultern der Vorstandsmitglieder lastet. Ich würde mich freuen, wenn es bei der Organisation von Veranstaltungen hin und wieder helfende Hände aus den Reihen der 150 Mitglieder gäbe“, sagte Lindau.

Zu dem durch den Vorstand stets beschworenen Gemeinschaftsgedanken gehörten auch die jährlichen gemeinsamen Werbeaktionen, gemeinschaftlichen Anzeigen, verkaufsoffenen Sonntage und schließlich ein gemeinsames Magazin, das 2010 erstmals im Winter erschien, heute gibt es ein Sommer- und ein Winterheft, das vor allem von Urlaubsgästen gut angenommen wird.
Ein Meilenstein war auch der Schritt in die Digitalisierung, mit einer eigenen Website und jüngst auch die Entwicklung einer App. Instagram, Facebook und Co. gehören längst zum Alltag. Für Lindau ein Zeichen, dass bei aller Pflege der Tradition die Moderne nicht zu kurz gekommen ist.

Gefeiert wird quasi in drei Schritten. Am Gründungstag gibt es eine feierliche Jahreshauptversammlung, am 31. Mai eine Sommerparty, für die es noch Karten gibt, und drei Tage später die große Jubiläum-Gewerbeschau.

Knut Lindau, seit 2001 der 1. Vorsitzende des Vereins, präsentiert stolz alte Protokollbücher aus der Gründungszeit.
Foto: kk

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